Wikilektro – Motoren starten – Technische Grundlagen und Auswahlkriterien – Teil 2

Grundapplikationen beim Starten von Motoren

Pumpen
Pumpen sind Geräte zum Transportieren bzw. Fördern von Flüssigkeiten.


Bei Pumpenanwendungen spielt besonders das schnelle Erreichen der gewünschten Förderleistung eine große Rolle. Je nach Applikation muss das Anlaufmoment angepasst werden. In solchen Fällen könnte es von Vorteil sein, den Anlauf zu regeln. Auch beim unvermittelten Abschalten der Pumpe, also bei abruptem Pumpenstopp, können z.B. Wasserschläge entstehen, die die Anlage mechanisch so stark belasten, dass es zu deren Zerstörung führen kann. Während des Betriebs können ebenfalls Probleme auftreten, die die gesamte Anlage langfristig schädigen können. Die Pumpe kann beispielsweise durch mangelnde Flüssigkeitsversorgung trockenlaufen, dadurch überhitzen und bei leicht entzündlichen Materialien sogar die geförderte Flüssigkeit entzünden. Die Funktion Trockenlaufschutz des Motormanagementsystems SIMOCODE ist daher auch für den Einsatz im Ex-Bereich zertifiziert worden. Weitere Details sind im White Paper „Trockenlaufschutz“ umfassend beschrieben. Eine weitere typische Herausforderung stellen Blockierungen dar, die vor allem in der Wasser- und Abwasserindustrie durch Verschmutzung des Pumpenrads entstehen. Nicht rechtzeitig erkannt sind Anlagenstillstand die Folge und können zur Zerstörung des Motors führen. Messfähige Schaltgeräte überwachen die Wirkleistung des Motors und empfehlen in derart kritischen Fällen eine Pumpenreinigung durchzuführen. Gerade in hoch verfügbaren Anwendungen, also dort, wo der Pumpenausfall ein Vielfaches der Gerätekosten verursacht, kommen häufig solche Systeme zum Einsatz. Der Sanftstarter SIRIUS 3RW55 beispielsweise verfügt über eine dazu geeignete Überwachungsfunktion.

Lüften
Unter Lüften versteht man den Transport bzw. Förderung eines gasförmigen Mediums durch eine Strömungsmaschine, genannt Ventilator. Dies geschieht meist über ein Laufrad in einem Gehäuse.

Bei großen Lüftern kann es zum sogenannten Schweranlauf und dadurch zu langen Anlaufzeiten kommen. Dies muss bei der Auswahl der Schaltgeräte berücksichtigt werden. Sollen Lagerschäden durch ungewollten Stillstand der Rotorblätter vermieden werden, kann der Ventilator mit reduzierter Geschwindigkeit betrieben werden, d. h. der Rotor dreht sich selbst bei Nichtbenutzung mit minimaler Drehzahl.

Verdichten
Unter Verdichten versteht man den Transport bzw. die Förderung eines gasförmigen Mediums durch eine Strömungsmaschine – jedoch ist das Ergebnis immer ein komprimierter Aggregatszustand. Diese Maschinen werden meist Kompressor oder Verdichter genannt.

Je nach Anwendung sind diese Maschinen als offene oder geschlossene Systeme ausgeführt. Während offene Systeme meist mit Druckbehältern arbeiten, die mit einfachen Festdrehzahllösungen (Direkt- oder Sanftstarter) und Zweipunktreglern ausgestattet werden können (Regeln zwischen Minimal- und Maximaldruck), werden für geschlossene Systeme bewegungsschnelle Aktoren bevorzugt eingesetzt. Die Regelung erfolgt dann meist über hochdynamische, drehzahlregelbare Antriebssysteme. Im Vergleich zu anderen Applikationen ist die Schalthäufigkeit beim Verdichten wesentlich höher. Außerdem entsteht dabei eine hohe Prozesswärme.

Fördern
Der Bereich Fördern beschreibt das Transportieren von Stückgut und Schüttgut jeglicher Art.

Oftmals ist sanfter An- und Auslauf gefordert, um die mechanischen Komponenten der Förderanlage oder das Fördergut vor Beschädigung, z.B. durch Kippen, zu schützen. In anderen Fällen wird die Geschwindigkeit des Förderbandes flexibel an das unterschiedliche Fördergut angepasst. Dies funktioniert üblicherweise nur mit drehzahlregelbaren Antriebssystemen.

Verarbeiten
In nahezu allen Industriebereichen kommen Maschinen aus dem Bereich Verarbeiten zum Einsatz, z.B. Mischen, Zerkleinern, Sortieren oder Portionieren von Nahrungs- und Genussmitteln (Food & Beverage), in der Abwasseraufbereitung, Pharmaindustrie oder der Zement- und Steinindustrie.

Gerade in der Prozessindustrie entstehen durch die zu verarbeiteten Materialen teilweise große Lasten, die den Motoren vor allem beim Start extreme Drehmomente abverlangen. Das Losbrechmoment ist hier oftmals die führende Größe bei der Auswahl des Motors. Desweiteren sind bei der Dimensionierung des Antriebsstrangs spezielle Anforderungen der Applikation zu berücksichtigen, z.B. bei Zentrifugen, Rührwerken oder Mühlen. Mit Auslegungstools unterstützen manche Hersteller den Applikationsingenieur bei dieser nicht ganz einfachen Aufgabe. Siemens bietet dafür z. B. das Sanftstartertool STS (Simulation Tool for Soft Starters) an. Hier kann die Applikation bei der Auswahl der Sanftstarter 3RW bereits voreingestellt werden. Doch nicht nur beim Start, sondern auch während des Betriebs können durch Blockierungen der Anlage schwere Schäden am Motor entstehen. Daher müssen hierfür präventive Maßnahmen, wie beispielsweise eine intelligente Überlastabschaltung installiert werden. Bei Applikationen, in denen sich z. B. das Rührgut bei Stillstand verfestigt, kann ein zerstörter Motor der geringere Schaden sein. In diesen Fällen muss ein Notbetrieb trotz erkannter Überlast möglich sein. Dies erfordert spezielle Motorschutzeinrichtungen, mit denen derartige Anforderungen vom Betreiber bewusst vorgenommen werden können.

Sonderfall
Schweranlauf Wenn beim Start eines Motors besonders hohe Last- und Trägheitsmomente auftreten, spricht man von Schweranlauf oder Schwerlastanlauf. Beim Schweranlauf ist zu beachten, dass der komplette Antriebsstrang diesen besonderen Herausforderungen gewachsen sein muss. D. h. nicht nur der Motor muss diese besonderen Belastungen vertragen, sondern auch die Leitungen sowie Schalt- und Schutzgeräte. Während bei einem Start aus dem kalten Zustand des Motors noch relativ viele Reserven vorhanden sind, reduzieren sich diese sehr schnell nach mehreren aufeinanderfolgenden Starts bzw. im warmen Zustand des Motors. In Bezug auf das Motorstarterequipment sind verschiedene Besonderheiten zu beachten: Die Schaltleistung der Kontakte, z. B. der des Schützes, müssen für die höheren Anlaufströmen ausgelegt sein und das Schutzorgan bedarf einer anderen Auslösecharakteristik. Bei thermischen Überlastrelais wird diese durch Angabe der sogenannten Class angegeben, bei elektronischen Schutzgeräten kann die „Class“ oftmals parametriert und nach dem jeweiligen Bedarf eingestellt werden. Die Class gibt die maximal zulässige Zeitdauer der Überlast an, bevor ausgelöst wird. Die Details dazu sind in der IEC/EN60947 formuliert. In besonders kritischen Fällen werden Thermistormotorschutzrelais eingesetzt. Diese überwachen die in der Motorwicklung eingebauten Thermistoren und damit die Temperatur. Der damit erreichte Schutzgrad wird häufig als Motorvollschutz bezeichnet. Eine Möglichkeit zur Reduzierung des Anlaufstromes bei Schweranlauf ist der Einsatz von Sanftstartern. Diese müssen aber ebenfalls für die erhöhten Belastungen passend ausgewählt werden. Intelligente Ausführungen der Sanftstarter können die optimale Einstellung der Anlaufparameter durch Analyse der aktuellen Motorkenngrößen selbst vornehmen (Autoparametrierung, z. B. bei Sanftstarter SIRIUS 3RW55). Da aber mit der Reduzierung des Anlaufstroms auch das Drehmoment des Motors reduziert wird, ist eine Anwendung auf Applikationen ohne erhöhte Losbrech- und Startdrehmomente beschränkt. Typische Anwendungsfälle sind Ventilatoren und Zentrifugalpumpen. Bestehen bezüglich des Drehmoments besonders hohe Anforderungen, z. B. bei langen Förderbändern, können mit Frequenzumrichtern bessere Ergebnisse erzielt werden, da diese dank Spannungs- und Frequenzregelung die am Motortypschild angegebenen Drehmomente übertreffen können.

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– Kriterien bei der Auswahl der Startart
– Trends und Entwicklungen

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