Vier Prozent Wachstum in der Produktion sind möglich

Die Elektro- und Digitalindustrie blickt optimistisch ins Jahr 2022. Die Hersteller machten im Jahr 2021 die durch Corona bedingten Verluste des Vorjahres mehr als wett. Ein Problem bleiben die Materialengpässe.

In jedem Januar blickt der ZVEI bei einer Pressekonferenz aufs vergangene Jahr zurück und bietet einen Ausblick auf die weitere Entwicklung der Elektro- und Digitalindustrie. Der Rückblick auf das Jahr 2021 fällt sehr gut aus, das Jahr war sehr erfolgreich. „Als eine von wenigen Branchen ist es gelungen, die Verluste aus dem Vorjahr mehr als nur wettzumachen“, bewertet ZVEI-Präsident Dr. Gunther Kegel die Entwicklung.

Die Produktion stieg zwischen Januar und November 2021 um gut 9 Prozent, die nominalen Erlöse legten im gleichen Zeitraum um knapp 10 Prozent zu. Auf das gesamte vergangene Jahr hochgerechnet erreichte der Umsatz erstmals knapp die Marke von 200 Milliarden Euro. Nahezu alle Teilbranchen zeigten eine positive Entwicklung. Die Zahl der Beschäftigten stieg um mehr als 5.000 auf 877.000, die Kurzarbeit ging deutlich auf 15.000 zurück.

Die Materialknappheit verhindert bessere Entwicklung

„Es ist der Branche im vergangenen Jahr sehr gut gelungen, die Pandemie-Situation zu managen. Die von den Unternehmen getroffenen Sicherheitsmaßnahmen haben gegriffen“, so Dr. Kegel weiter. „Wichtig ist, dass das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben weiter aufrechterhalten bleibt, auch wenn uns neue Virusvarianten vor neue Herausforderungen stellen.“ Zu schaffen macht der Branche die anhaltende Materialknappheit. Ohne die Lieferengpässe hätte der Umsatz 2021 deutlich höher ausfallen können. Der ZVEI erwartet frühestens ab Jahresmitte eine Besserung der Lage.

Mit Blick auf die unter Druck stehenden globalen Lieferketten und die Vernetzung der Branche mahnt der ZVEI, die technologische Souveränität und Widerstandskraft Europas dringend zu stärken. „Europa kann nur aus einer starken Position heraus seine Wirtschaftsinteressen gegenüber China und den USA selbstbewusst vertreten. Hierfür darf es keine einseitigen Abhängigkeiten geben, weder bei Spitzentechnologien wie Halbleiter noch in der Spitzenforschung“, so der ZVEI-Präsident weiter. Europa müsse mit eigenen Kompetenzen stark und souverän agieren können, ohne protektionistisch zu sein. Dazu müsse beispielsweise die EU das zweite IPCEI für Mikroelektronik jetzt schnell auf den Weg bringen. Dr. Kegel: „Wenn anderswo Milliarden-Förderungen erfolgen, darf Europa nicht zurückstehen.“

Auch für das Jahr 2022 ist der Verband zuversichtlich, weist aber auf große Unsicherheiten bei der Prognose hin. „Stand heute gehen wir von einem Produktionsplus von 4 Prozent aus“, so der ZVEI-Präsident.

All-Electric-Society: Branche treibt Entwicklung

Die wachstumsfördernden Megatrends Elektrifizierung und Digitalisierung sind unmittelbar mit der Elektro- und Digitalindustrie verbunden und durch die Koalitionsvereinbarung der neuen Bundesregierung nochmals verstärkt worden. Ein Beispiel ist der Klimaschutz: „Um die ambitionierten Klimaziele zu erreichen, muss die Elektrifizierung mit durchgängiger Kopplung der klimarelevanten Sektoren Energie, Industrie, Gebäude und Mobilität jetzt entschlossen angegangen werden“, so Wolfgang Weber, Vorsitzender der ZVEI-Geschäftsführung. Bei intelligenter Verbindung und direkter Nutzung könne erneuerbarer Strom nicht nur eine zunehmend CO2-freie Energieversorgung ermöglichen, sondern auch hohe Energieeffizienzpotenziale generieren. „Durch Elektrifizierung kann der Primärenergiebedarf bis 2045, dem Zieljahr für Klimaneutralität, um mehr als 40 Prozent gesenkt werden“, so Weber.

Mehr Fortschritt wagen

Die Technik hierfür sei vorhanden, bliebe aber weiterhin viel zu häufig ungenutzt. Ein großer Schwachpunkt ist aus Webers Sicht der seit Jahren vernachlässigte Netzausbau. „Ohne ein leistungsstarkes, digitalisiertes Stromnetz kann die Energiewende nicht gelingen“, sagt Weber. Ihre Ertüchtigung und Ausbau müssten mit dem Ausbau der Erneuerbaren deshalb dringend synchronisiert werden. Aber auch an anderen Stellen sieht der Verband Handlungsbedarf. „Die Infrastruktur in Deutschland insgesamt braucht eine Verjüngungskur“, sagt Weber. Der Gebäudesektor ist ein Beispiel: „Der Großteil der Gebäude ist nicht Energiewende-fähig, die Sanierungsquote zu gering und die Elektroinstallationen sind häufig museumsreif.“

Weber fordert, „mehr Fortschritt zu wagen“. Der ZVEI fordert die neue Regierung auf, schnell die Entwicklung zur All-Electric-Society zu unterstützen. Eine Schlüsselrolle spielt für den ZVEI dabei der Strompreis. Weber: „Um erneuerbaren Strom als vorrangigen Energieträger attraktiv zu machen, muss der Strompreis rascher gesenkt werden – für alle.“ Die Abschaffung der EEG-Umlage allein reiche nicht. Auch die Stromsteuer müsse abgesenkt und für erneuerbaren Strom vollständig reduziert werden.